Young-Hae Chang Heavy Industries

Wie man ein Schwein zuhause human schlachtet
  • Wie man ein Schwein zuhause human schlachtet, 2023, Video, Projektion, 00:16:42, Ton, unter Verwendung von Tizian (1490 – 1576), Die Häutung des Marsyas, circa 1570 bis 1576, Öl auf Leinwand, 220 x 204 cm
  • Wie man ein Schwein zuhause human schlachtet, 2023, Video, Projektion, 00:16:42, Ton, unter Verwendung von Tizian (1490 – 1576), Die Häutung des Marsyas, circa 1570 bis 1576, Öl auf Leinwand, 220 x 204 cm
  • Wie man ein Schwein zuhause human schlachtet, 2023, Video, Projektion, 00:16:42, Ton, unter Verwendung von Tizian (1490 – 1576), Die Häutung des Marsyas, circa 1570 bis 1576, Öl auf Leinwand, 220 x 204 cm

Das heute in Südkorea lebende Künstlerduo Young-Hae Chang und Marc Voge zählt zu den Pionier:innen der internetbasierten Kunst. Gemeinsam produzieren sie digitale, textbasierte, mit populär-musikalischen Soundtracks unterlegte Werke. Die Multimedia-Softwareplattform Flash prägte, so lange sie verfügbar war, die Entwicklung ihrer Arbeitsweise. Dabei stützen sie sich auf konkrete oder abstrakte Poesie, erzählende Literatur und experimentelles Kino. Anstoß für die eigens für das Projekt ocular witness: SCHWEINEBEWUSSTSEIN entwickelte Arbeit How to Slaughter a Hog Humanely (Wie man ein Schwein human schlachtet) war der Rückgang deutscher Schweinefleischimporte in Korea. Die durch Corona und die Afrikanische Schweinepest bedingte Lieferkettenproblematik bildet, so die Erzählung, Anlass für eine Hausschlachtung. In funktionalem Ton gibt das Video eine präzise Schritt-für-Schritt-Handlungsanleitung inklusive des sachdienlichen Gebrauchs von Bolzenschussgerät, Messer, Seilwinde. Humanes, also wohl möglichst leidarmes Schlachten ist eines der Themen in gegenwärtigen Tierwohldebatten.¹

Jedoch überlagert sich die nüchterne Handlungsanweisung mit der griechisch-römischen Überlieferung um den Satyr Marsyas. Ein Gemälde von Tiziano »Tizian« Vecellio, entstanden 1574 und als Die Häutung des Marsyas, auch Die Schindung des Marsyas bekannt, ist als Motiv den beiden Avataren hinterlegt, die den Text referieren: Der Satyr wagt es, den Gott Apollon zu einem musikalischen Wettstreit zu fordern. Marsyas spielt auf einer gefundenen Doppelflöte – Athene hatte sie weggeworfen, da sie ihr, wie sie fand, nicht stand. Apollon wiederum greift im Wettstreit zu einem unlauteren Kniff: Als sich die Angelegenheit zu seinen Ungunsten zu entwickeln droht, begleitet er sein Kithara-Spiel mit Gesang – etwas, das ihm der Flötenspieler schlecht gleichtun kann. Da entscheiden die Musen für Apollon als den besseren Musiker. Es heißt, Apollon selbst habe dem Verlierer Marsyas die Haut abgezogen, um ihn für die hochmütige Herausforderung eines Gottes zu bestrafen. Ebenso gut könnte es sein, dass Apollon, Repräsentant der Ordnung, den Zeugen seines unfairen Agierens und – als Satyrn – Mischwesen und Naturgeist aus dem Weg zu räumen gedachte. Wie so viele antike Überlieferungen ist auch diese eine drastische Zuspitzung menschlicher, allzu menschlicher Verhaltensweisen: Was ist Anmaßung? Was ist fair? Was geschieht den Unterlegenen?

¹ Beispielhaft sei hier verwiesen auf Jana C. Glaese, »Kann Schlachten human sein?«, in: philosophie magazin, 2019, https://www.philomag.de/artikel/kann-schlachten-human-sein (Zugriff: 10.5.2023).

Biografien

Young-Hae Chang & Marc Voge

leben in Seoul, Zusammenarbeit seit 2000

A 2022 Please Mistake Me for Nobody, n.b.k., Berlin (E) • 2021 Young-Hae Chang Heavy Industries, M+, Hongkong; The Best Entertainment Around, Tate Modern, London (on- und offline)

P SOUVENIR, n.b.k., Berlin 2023